Deutschland ist bekannt als das Land der DIN-Normen des Deutschen Instituts für Normung. Das 1917 gegründete Institut hat die deutsche Wirtschaft in ihrem Qualitätsanspruch so stark mitgeprägt wie wohl kaum eine andere Institution. Skeptische Zeitgenossen dagegen behaupten, die DIN-Normen hätten einen ausufernden Paragraphendschungel hervorgebracht und schon für manche unangenehme Überraschung gesorgt. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen. Fakt ist, dass auch der Gerüstbau von einer Vielzahl von Regelungen und Normen betroffen ist, deren Einhaltung eine äußerst wichtige Rolle bei der Arbeit auf der Baustelle spielen. Hier finden Sie die wichtigsten.
Die für den Gerüstbau geltenden Normen haben viele Vorteile:
- Sie sind eindeutige, anerkannte Regeln, die in Verträgen Rechtssicherheit schaffen.
- Sie vereinfachen die Angebots- und Ausschreibungspraxis.
- Sie schaffen Klarheit zwischen Lieferanten und Kunden.
- Sie schaffen Sicherheit auf dem aktuellen Stand der Technik.
- Sie erleichtern die Dokumentation in puncto Qualitätssicherung.
- Sie schaffen Investitionssicherheit bei Innovationen.
- Sie erleichtern die Konstruktion, Fertigung und Instandhaltung.
Periodisch gibt es dabei immer wieder überarbeitete Normen und Regelungen, die aus dem breiten allgemeinen Regelwerk hervorstechen und besondere Beachtung verdienen. Bestes Beispiel für die Vorschriften im Gerüstbau 2020 ist die „neue“ Technische Regel für Betriebssicherheit, kurz TRBS 2121-1.
Die wichtigsten Regeln der TRBS 2121-1
- Ab einer Höhe von fünf Metern hat der Gerüstzugang über eine Treppe, einen Aufzug oder eine Transportbühne zu erfolgen – nicht über eine Leiter!
- Beim Aufbau, Umbau oder Abbau von Gerüsten muss – im Falle einer durchgehenden Gerüstflucht – auf der obersten Gerüstetage mindestens ein einteiliger Seitenschutz oder ein Montagesicherungsgeländer installiert sein.
- Die Verwendung von Persönlicher Schutzausrüstung gegen Absturz (PSAgA) ist nur unter Ausnahmebedingungen erlaubt.
- Der Gerüstersteller muss der fachkundigen Person (die alle Gerüstarbeiten überwacht) und den Beschäftigten eine Montageanweisung vorlegen.
- Die Funktionskontrolle am Gerüst darf nur eine fachkundige Person durchführen.
Die TRBS 2121-1 spielt 2020 weiter die Hauptrolle
Aber auch andere Richtlinien im Gerüstbau bleiben wichtig. Über die TRBS 2121 -1 hinaus gilt es viele bereits existierende DIN-Normen und Regelungen einzuhalten. Die sind zwar überwiegend keine gesetzlichen Vorschriften, werden jedoch verbindlich, sobald sie in Verträgen enthalten sind. Hier ein Überblick und eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten DIN-Normen für den Gerüstbau (die Kurzfassungen ersetzen nicht die detaillierte, vollumfängliche Auseinandersetzung mit den Originalinhalten). Einen ausführlichen Einblick in diese Thematik erhalten Sie auch in unserem Seminar über neue Verordnungen im Gerüstbau, welches sich primär an befähigte Personen, Meister und Führungskräfte im Gerüstbau richtet.
Themen der DIN EN 12810, Teil 1
- Fassadengerüste aus vorgefertigten Bauteilen
- Produktfestlegungen
- Werkstoffe bei Systemgerüsten
- Allgemeine Anforderungen
- Anforderungen an die Bemessung und Kennzeichnung
- Das Produkthandbuch
Themen der DIN EN 12810, Teil 2
- Fassadengerüste aus vorgefertigten Bauteilen
- Besondere Bemessungsverfahren und Nachweise
- Fallversuche
- Konfigurationen für Verbindungsmittel, Arbeitsbühnen mit Auflager und geschweißte Aluminiumstufen
Themen der DIN EN 12811, Teil 1
- Temporäre Konstruktionen für Bauwerke und Arbeitsgerüste
- Klassifizierung nach Breiten-, Höhen- und Lastklassen
Themen der DIN 4420, Teil 1
- Leistungsanforderungen, Entwurf, Konstruktion und Bemessung von Arbeits- und Schutzgerüsten.
- Allgemeine Bestimmungen und Anforderungen für Schutzgerüste (auch in Verbindung mit weiteren Gerüstarten).
Themen der DIN 4420, Teil 3
- Ausgewählte Arbeits- und Schutzgerüste und ihre Regelausführungen
Themen der DIN 4426
- Einrichtungen zur Instandhaltung baulicher Anlagen
- Sicherheitstechnische Anforderungen an Arbeitsplätze und Verkehrswege (Planung und Ausführung)
Themen der DIN EN 39:2001-11
- Technische Lieferbedingungen für systemunabhängige Stahlrohre in Trag- und Arbeitsgerüsten
- Herstellverfahren, Anforderungen, Prüf- und Probeverfahren von Stahlrohren
Themen der DIN EN 74-1:2005-12
- Kupplungen, Zentrierbolzen und Fußplatten für Arbeitsgerüste und Traggerüste, Teil 1: Anforderungen und Prüfverfahren für Rohrkupplungen
- Arten und Klassen von Kupplungen inklusive Bezeichnungen, Kennzeichnungen und Fallversuchen
Themen der DIN EN 74-2:2009-01
- Kupplungen, Zentrierbolzen und Fußplatten für Arbeitsgerüste und Traggerüste, Teil 2: Anforderungen und Prüfverfahren für Spezialkupplungen
- Arten und Einteilungen von Spezialkupplungen, übertragbaren Schnittgrößen, allgemeinen Anforderungen und Fallversuchen
Themen der DIN EN 74-3:2007-07 mit DIN EN 74-3: 2007-10
- Kupplungen, Zentrierbolzen und Fußplatten für Arbeitsgerüste und Traggerüste, Teil 3: Anforderungen und Prüfverfahren für ebene Fußplatten und Zentrierbolzen
- Konstruktive Eigenschaften
- Referenzrohre
- Allgemeine Anforderungen an Fußplatten (inklusive Versuchsdurchführungen)
Zertifizierungen als Erfolgsfaktor geben Kunden Orientierung und Sicherheit
Fazit: Der Paragraphendschungel rund um die Normen und Vorschriften im Gerüstbau 2020 ist groß. Die Anforderungen in den Bereichen Gesundheit, Sicherheit, Umwelt werden – nach skandinavischem Vorbild – weiter zunehmen. Das ist gut für die Attraktivität des Berufsfeldes Gerüstbau. Sowohl Fach- als auch Nachwuchskräfte können sich dadurch sicherer fühlen, im für sie passenden Berufsfeld zu arbeiten. Bei den Unternehmen werden sich die Betriebe weiterhin überdurchschnittlich erfolgreich im Markt behaupten, die auf erstklassige Qualität setzen. Zertifizierungen wie zum Qualitäts- und Umweltmanagement (nach DIN EN ISO 9001 und 14001) oder zu Schweißarbeiten (zum Beispiel nach DIN 18800-7, Klasse D und nach DIN 4113, Klasse C) ermöglichen es, sich von anderen abzuheben. Damit sind sie ein wichtiger Erfolgsfaktor.