Schritt für Schritt zur richtigen Sicherung bei der Gerüstmontage

Die Unfallstatistik der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft spricht eine deutliche Sprache: 2017 kam es zu über 21.000 Sturz- und Absturzunfällen von Gerüsten, Leitern oder Dächern. Sie bilden bei den Todesfällen auf dem Bau mit 40 Prozent den größten Anteil. Was uns die Statistik jedoch nicht zeigt, sind die Schicksale der Menschen, die hinter den Zahlen stehen. Menschen, die nicht mehr arbeiten oder gehen können. Oder die ihren Kollegen oder Angehörigen verloren haben. Um Sturz- und Absturzunfälle zu vermeiden, wurden die Technischen Regeln für Betriebssicherheit – die TRBS 2121 – eingeführt. Sie zeigen mit einer Reihe von Maßnahmen Schritt für Schritt auf, wie das Aufbauen, Umbauen und Abbauen eines Gerüstes rundum sicher abzulaufen haben. Und schaffen so beste Voraussetzungen, um jederzeit eine gute und sichere Arbeit am Gerüst zu leisten – zum Wohle aller Beteiligten.

Arbeitsschutz ist TOP

Das tragende, charakteristische Merkmal der TRBS 2121 ist die strenge Umsetzung der Maßnahmenhierarchie des TOP-Prinzips, das

  • Technische Maßnahmen
  • Organisatorische Maßnahmen
  • Persönliche Maßnahme

…beinhaltet. Nach der Merkregel „Arbeitsschutz ist TOP“ müssen zuerst immer und vollumfänglich die ersten beiden Maßnahmen ausgeschöpft werden. Erst, wenn sie nicht anwendbar sind, sollen persönliche Schutzmaßnahmen durch das Anlegen der Persönlichen Schutzausrüstungen gegen Absturz (PSAgA) im Gerüst folgen.

Das bisher im Arbeitsalltag oft übliche und allgemein großzügig tolerierte Anlegen der PSAgA wird damit zur Ausnahme, die nur noch unter bestimmten Bedingungen möglich ist. Bei diesen geht es vor allem um die Bauart des einzurüstenden Objektes bzw. der Gerüstausführung selbst. Ausnahmen gelten nur für Gerüste, bei denen nach Länge und Höhe keine durchgehende Gerüstflucht ohne Vor- und Rücksprünge vorhanden sind. Wie bei Raumgerüsten, Gerüsttreppen und Treppentürmen, bei Überbrückungskonstruktionen, auskragenden Gerüstbauteilen und Hängegerüsten.

Sicherung bei der Gerüstmontage bedeutet vor allem Sicherung auf oberster Lage.

Der Dreh- und Angelpunkt bei der Gerüstmontage gemäß TRBS 2121 ist die seitliche Sicherung der obersten Lage von der unteren, bereits gesicherten Lage aus. Gerüst-Ersteller stehen hierbei vor zwei Herausforderungen: zum einen die rechtlichen Vorgaben zu erfüllen und zum anderen wirtschaftlich zu arbeiten.

Die rechtlichen Vorgaben der TRBS 2121 geben dabei folgende Schritte vor, die einzuhalten sind:

1. Schritt: der Montageplan

„Auch ein langer Marsch beginnt mit einem ersten Schritt“ sagt ein chinesisches Sprichwort. Das ist bei der Gerüstmontage nicht anders. Hier besteht der erste Schritt darin, eine detaillierte und auf das jeweilige Gerüst abgestimmte Anleitung – einen Montageplan – für den Aufbau, Umbau und Abbau zu erstellen. Dieser Plan muss entweder vom Gerüst-Ersteller selbst oder von einer von ihm beauftragten sogenannten fachkundigen Person angefertigt werden. Zum Kreis der fachkundigen Personen des Gerüst-Erstellers (Aufsichtsführenden) gehören zum Beispiel der Gerüstbaumontageleiter, geprüfte Gerüstbau-Obermonteure, geprüfte Gerüstbau-Kolonnenführer, geprüfte Poliere, Gerüstbaumeister und Personen im Bau-Handwerk, die die erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten im Gerüstbau aufweisen. Der Montageplan selbst enthält dabei Angaben von A wie „Abstände zum Gebäude“ über M wie „Maßnahmen zum Schutz gegen Absturz” bis Z wie „Zeitpunkt der Prüfung“.

Der Montageplan ist keine graue Theorie. Er sollte daher auch nicht in einem Aktenordner Büroschlaf halten oder sich auf der Festplatte ausruhen. Er muss dem Bauherrn – oder der von ihm bestimmten fachkundigen Person – vorgelegt werden und am Aufbauort für alle Beschäftigten stets zugänglich sein.

In Ergänzung zum Montageplan muss ebenfalls eine Gebrauchsanweisung für das Gerüst erstellt werden, die noch einmal die wichtigsten Fakten bereithält. Diese dienen vor allem dem Gerüstnutzer bei der Gefährdungsbeurteilung.

 

2. Schritt: Konsequente Einplanung technischer Schutzmaßnahmen

Der Kern der neu gefassten Regelungen betrifft Unfallgefahren bzw. zu treffende Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz vor Abstürzen. Und das sowohl während des Gebrauches eines Gerüstes als auch beim Aufbau, Umbau und Abbau. Im Fokus steht die Absturzsicherung auf der obersten Gerüstlage.
Diese muss – im Falle einer durchgehenden Gerüstflucht – bereits vor dem Betreten mindestens mit einem einteiligen Seitenschutz oder einem Montagesicherungsgeländer abgesichert sein. Wichtig! Sollte das verpflichtend einzusetzende Montagegeländer nicht installierbar sein, muss eine Auffangeinrichtung verwendet werden. Erst wenn diese technischen Schutzmaßnahmen allesamt nicht realisierbar sind, dürfen – gemäß der eingangs genannten Maßnahmenhierarchie TOP – persönliche Schutzmaßnahmen zur Anwendung kommen.

 

3. Schritt: Prüfung und Dokumentation durch die Gerüstnutzer

Mit der TRBS 2121 wird nun jeder Beteiligte in die Verantwortung genommen. Alle Arbeitgeber haben dafür Sorge zu tragen, dass ihre Mitarbeiter im Gerüst zuverlässig vor Abstürzen geschützt sind. Das ist besonders infolge des Auftretens außergewöhnlicher Ereignisse wie zum Beispiel Unfällen, witterungsbedingten Einwirkungen oder auch Verschleißerscheinungen infolge längerer Nichtbenutzung von höchster Bedeutung.

Die TBRS 2121 dazu wörtlich: „Jeder Arbeitgeber, der Gerüste oder Teilbereiche von Gerüsten von Beschäftigten gebrauchen lässt, hat zuvor eine Inaugenscheinnahme und erforderlichenfalls eine Funktionskontrolle durch eine qualifizierte Person auf offensichtliche Mängel durchzuführen beziehungsweise durchführen zu lassen.”

Die Ergebnisse dieser Überprüfungen sind – genau wie die Montageanleitung – zu dokumentieren und am Einsatzort aufzubewahren!

 

Der Schutz vor Absturz muss zweifach funktionieren: personell und finanziell.

Die neuen Regelungen der TRBS 2121 fördern und fordern gleichzeitig. Denn zum einen fördern sie die Sicherheit für Gerüst-Ersteller und Nutzer. Zum anderen erfordern sie von den Gerüstbauern mehr Aufwand – sowohl in der Planung und Dokumentation als auch in finanzieller Hinsicht. Dieser Mehraufwand kann nur mit intelligenten technischen Lösungen gestemmt werden, die die bereits existierenden Rahmengerüstsysteme für die geltenden Regelungen fit machen. Dazu gehören neben den „klassischen“ Montagesicherungsgeländern auch sogenannte Montagesicherungskonsolen oder auch die erst 2019 auf den Markt gebrachten Modul-Geländersysteme. Alle drei Ansätze bringen die von der Berufsgenossenschaft Bau geforderte Sicherheit im Gerüst. Und die von Gerüstbauern geforderte Wirtschaftlichkeit – mit aufsteigendem Innovationsgrad – unter einen Hut.

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