Gerüstbauer ohne Ausbildung – ist das möglich?

Gebaut wird immer – und dementsprechend viel gibt es im Gerüstbau auch zu tun. Für Arbeitnehmer bedeutet das hohe Jobsicherheit auch in Krisenzeiten. Was aber, wenn man keine Ausbildung zum Gerüstbauer gemacht hat? Wir werfen einen Blick darauf, wer in Deutschland eigentlich ein Gerüst auf- und abbauen darf und welche Wege in die Branche es auch ohne Ausbildung gibt.

Mit einem durchschnittlichen jährlichen Branchenwachstum von knapp über 3 Prozent in den letzten Jahren kann die Gerüstbaubranche zufrieden sein. Zwar ist auch der Gerüstbau von der Corona-Pandemie betroffen; die meisten Bauprojekte konnten und können jedoch normal weitergeführt werden. Auch für die nächsten Jahre wird ein ähnliches Branchenwachstum erwartet. Das bedeutet wiederum, dass der Gerüstbau nach wie vor einen hohen Bedarf an Fachkräften hat.

Viele Leute, die sich die Arbeit als Gerüstbauer gut vorstellen können, lassen sich jedoch davon abschrecken, dass sie keine geeignete Ausbildung besitzen. Aber gibt es nicht vielleicht auch andere Wege in die Branche? Und wer darf in Deutschland überhaupt ein Gerüst aufbauen?

Diese Berufsgruppen dürfen in Deutschland Gerüste aufstellen

Das „Übergangsgesetz aus Anlass des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Handwerksordnung und anderer handwerksrechtlicher Vorschriften“ von 1998 legt unter anderem fest, welche Berufsgruppen bzw. Gewerbe in Deutschland ein Gerüst aufstellen dürfen.

Dort heißt es in § 1 Abs. 4, dass die „wesentliche Tätigkeit Aufstellen von Arbeits- und Schutzgerüsten des Gewerbes Nummer 11 Gerüstbauer“ auch folgenden Gewerben zugeordnet wird:

  • Maurern und Betonbauern
  • Zimmerern
  • Dachdeckern
  • Straßenbauern
  • Wärme-, Kälte- und Schallschutzisolierern
  • Brunnenbauern
  • Steinmetzen und Steinbildhauern
  • Stukkateuren
  • Malern und Lackierern
  • Schornsteinfegern
  • Metallbauern
  • Kälteanlagenbauern
  • Klempnern
  • Installateuren und Heizungsbauern
  • Elektrotechnikern
  • Tischlern
  • Glasern
  • Fliesen-, Platten- und Mosaiklegern
  • Betonstein- und Terrazzoherstellern
  • Estrichlegern
  • Gebäudereinigern
  • Schilder- und Lichtreklameherstellern

Unglaublich aber war: All diese Gewerbe dürfen ohne eine Eintragung als Gerüstbauer trotzdem Gerüste aufstellen. Es ist wohl davon auszugehen, dass damit vor allem das Aufstellen von Gerüsten für den eigenen Zweck, also die eigenen Arbeiten gemeint ist. Besonders kurios ist jedoch, dass genau dieser Punkt nicht im Gesetzestext geregelt ist. Prinzipiell können Ausübende dieser Berufe also auch Gerüste für andere aufstellen.

In einem reinen Gerüstbaubetrieb wird man aber dennoch vorrangig ausgebildete Gerüstbauer antreffen. Wer ein Gerüstbau-Obermonteur, -Montageleiter oder gar Gerüstbau-Meister werden will, ist vorher in den allermeisten Fällen auch den Weg über eine Ausbildung zum Gerüstbauer gegangen.

Das muss jedoch nicht heißen, dass man nicht auch ohne Gerüstbauer-Ausbildung ein Gerüstbauer werden könnte.

Gerüstbauer werden: Der Weg über die Praxiserfahrung

Das Berufsbildungsgesetz (BBiG) regelt unter anderem, wer unter welchen Umständen zur Abschlussprüfung eines Ausbildungsberufes zugelassen werden kann.

Im § 45 Abs. 2 des BBiG heißt es, dass auch diejenigen zur Abschlussprüfung zugelassen werden sollten, die nachweisen können, dass sie mindestens das 1,5-fache der Zeit, die als Ausbildungsdauer vorgeschrieben ist, in einem Beruf tätig gewesen sind. In bestimmten Fällen ist der Nachweis über die Zeit im Beruf sogar gar nicht erforderlich, beispielsweise wenn ein Vorgesetzter glaubhaft versichern kann, dass ein Bewerber die berufliche Handlungsfähigkeit besitzt, die notwendig ist.

Die Ausbildung zum Gerüstbauer dauert drei Jahre, was bedeutet: Spätestens nach viereinhalb Jahren Tätigkeit als Gerüstbauer kann man auch die Abschlussprüfung zum Gerüstbauer ablegen, was wiederum den Weg für weitere Fortbildungen und sogar den Weg zum Gerüstbauer-Meister freimacht.

Eine gute Möglichkeit, die notwendige Berufserfahrung zu sammeln, ist eine Stelle als Gerüstbau-Helfer. Gerüstbau-Helfer werden häufig gesucht und übernehmen im Prinzip die gleichen Arbeiten wie auch der Gerüstbauer: Sie unterstützen die Fachkräfte beim Auf- und Abbau von Gerüsten aller Art, beim Be- und Entladen von Transportfahrzeugen, beim Teiletransport und so weiter. Gleichzeitig verlangen Gerüstbauunternehmen häufig keine schulischen Qualifikationen oder beruflichen Vorerfahrungen von Gerüstbau-Helfern. Meistens reicht es, wenn man zuverlässig und ehrlich ist, auch bei körperlicher Arbeit gut anpacken kann und den Willen besitzt, Neues zu lernen.

Nach viereinhalb Jahren besitzen die meisten Gerüstbau-Helfer auch das notwendige Wissen, um die Abschlussprüfung zum Gerüstbauer zu bestehen. Als Gerüstbauer verdient man laut Tarifvertrag knapp 19 Prozent mehr als ein Gerüstbau-Helfer und hat noch dazu die Möglichkeit, verschiedene Fortbildungen zu absolvieren, um den Verdienst noch weiter zu steigern.

Fazit

Viele Wege führen nach Rom – und auch in den Gerüstbau gibt es Wege, die nicht über die klassische Route der dreijährigen Ausbildung zum Gerüstbauer führen. Es gibt mehr als ein Dutzend handwerklicher Gewerbe, die laut Gesetz ebenfalls Gerüste aufstellen dürfen. Und auch ganz ohne Ausbildung gibt es Chancen in der Branche: Als Gerüstbau-Helfer kann man sich in der Praxis das Wissen aneignen, das man benötigt, um zur Prüfung zum Gerüstbauer zugelassen zu werden.

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